Hände aus Himmel (Anfang)



 

Sie geht vom Weg ab, als das Haus der trauernden Familie in Sicht kommt, da fährt durch den Zug eine Art Erleichterung, man tuschelt. Keiner merkt, dass sie nicht mehr mitgeht.

Die gespielte Trauer auf dem Gräberfeld hat sie ertragen. Das erwachende Immer-fröhlich-Sein hält sie nicht mehr aus. Sie kannte den Jungen nicht, den man in einem Loch zwischen den Felsen zurücklässt. Er wurde zwei Jahre älter, als ihr Sohn jetzt ist, das genügt.

Sie kennt auch keinen Parther, weiß nicht mal, wo das liegt, das Sagen umwobene Pars. Sie weiß, dass da gestorben wird und will nichts mehr davon hören. Kann man in Galiläa denn nicht sterben? Und warum haben es alle so eilig damit?

Sie geht erst langsamer, als die ersten Steineichen sie begleiten. Der Sand, die aufgesprungene Haut von ein paar verlorenen Pflanzungen dazwischen, die Felsen, alles tot, denkt sie. Platz für Tote überall, da kann sie nicht bleiben. Unter einer krummen Zeder setzt sie sich das erste Mal an die Erde. Hat sie sich überlegt, was sie tut? Sie verlässt ihren Mann, werden alle sagen. Hätte er den Mut gehabt mitzugehen zum Begräbnis eines Christenjungen, wäre er da gewesen, hätte man sagen können: Sie verlässt ihn, aber wo ist er? Gerade noch mitgefahren nach Migdal in ihr Heimatdorf ist er. Sind nun mal Verwandte der Frau, da macht man das. Aber den Weg aus dem Dorf raus zu den Felsen mitgehen zwischen den Frauen, die alle kennen als Christen, wollte er nicht. Wie fast kein Mann, nur Frauen waren da. Sterben für den Gottkaiser im fernen Rom, das ja, das geht für einen guten Untertan, nur nicht sich dabei erwischen lassen von den lieben Mitbürgern. Sterben ist auch eine Pflicht, man tut sie nicht für jeden. [...]

Ein und Aus

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