Joachim Durrang


"Das Leben ist stärker als die Logik."

(aus: Joachim Durrang. Ausstellung Galluszentrum Ffm)

 

JOACHIM DURRANG (Bild: Jörg Simon)

 

wurde am 2.11.1957 als Sohn des Gipsers und Hüttenarbeiters Rudi Durrang und seiner Frau Gerlinde Durrang geb. Jax in Bexbach-Frankenholz im Saarland geboren. Seit mehr als zwanzig Jahren lebt er als freier Schriftsteller in Frankfurt am Main. Er gehört dem Vorstand des Hessischen Schriftstellerverbands an.


Rose gefaltet aus Fleisch
mit Vogelblick
deine dunklen Augen schwimmen
im Körpersamt
betrachten mit stummen Pupillen
meine Lider
Als Segel die ineinanderflattern
öffnet sich dein Gesicht
über das eine Tauperle aus Glas rinnt
und von deiner geröteten Brust herabfällt
Tierhaut umgibt dein Pflanzenfleisch
Der Duft wühlt sich in
meinen Geruchssinn
Mysterien toben
in deinem Atem


Gesetz in ihm und gestirnter Himmel über ihm, beide künstlich: alles sind ihm Rimbaud und Baudelaire. Der Symbolismus ist das literarische Credo des Wahlfrankfurters Joachim Durrang. Getreu dem rebellischen Erbe sprengt seine Poesie jedes Maß und Metrum. Rimbauds “Trunkenes Schiff” zählt hundert Zeilen, Baudelaires Zyklus “Die Blumen des Bösen” in der Erstfassung hundert Gedichte. Durrangs Poem “Perücke der Liebe” verbraucht alleine (fast) hundert Druckseiten.

Ein einzelner unbeirrter Rede- und Bilderfluss zieht den Leser mit sich, weg vom Vertrauten. Ins Freie geht es. Nicht aufs offene Meer mit Rimbaud, sondern in die Großstadt mit Baudelaire. Durrang, geboren 1957 im Saarländischen, lebt seit über zwanzig Jahren in Frankfurt am Main. Und beschämt die Eingeborenen mit Galeriekilometern ebenso bizarr ausgewählter wie scharf gestellter Großstadtaufnahmen. Die Zeil in allen Glas- und Augenspiegelungen, die Betonplatten des Uni-Campus, Grünfäden in Straßenknäueln, Klappen in Parks, Wasserhäuschen, Plakatwände, Klangwolken, Garküchenmief, nichts scheint ausgelassen von einer Kulisse, in der Passanten ihre Schädel öffnen, Gedankenprospekte auffalten. Im oppulenten Bildervorrat des übrigens auch malenden Dichters herrschen “absolute Metaphern” vor (Hugo Friedrich), die auf nichts bezogen sind, nichts abbilden. “Bei den triefenden / Laken des Flusses die aus dem / Schatten der Stadt / treten und hingestreckt / um die neuen Körper wildern Bilderrätsel / gestellt um meine Kehle die schluckt”, dort endet der Text.
Dem zeitgemäßen Leser, der erst umblättert, nachdem er zweimal gelacht hat, ist abzuraten. Witzig-ironisch wird Durrang, wenn er Luft holt. Anschließend bläst er weiter: einen “Trübsinn” (Stefan George) oder “Spleen” (Baudelaire), der uns viel zu sagen hat, von dem Walter Benjamin sagte: “Der Spleen ist das Gefühl, das der Katastrophe in Permanenz entspricht.” Ein vorletztes Mal mit Baudelaire, ist Durrang “einer jener großen Verlassenen, die zu ewigem Lachen verdammt sind und die nicht mehr lächeln können.”
Wem das zu tief geht, Pech, braucht das Buch trotzdem: als Francofortensium wie als poetisches Aphrodysiakum. Man liest es in einer Stunde. Schluss mit Baudelaire: “Diese Stunde wird uns vom Paradies abgezogen werden.”

Ewart Reder

Joachim Durrang, Perücke der Liebe. Ein Gesang, Reihe Topicana Nr. 11, Edition saarländisches Künstlerhaus, Saarbrücken 2005, ISBN 3-937046-11-9, 90 Seiten, € 8,-

 



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